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Die Wahrnehmung beherrscht den Raum genau in dem Verhältnis, in dem die Tat die Zeit beherrscht

Katja Pudor entfaltet oder vielmehr entfesselt auf weißem Papiergrund das Spiel von An- und Abwesenheit als Wesenskern alles Grafischen. Die bildnerischen Vorgänge sind in ihren zeitlichen und räumlichen Dimensionen unmittelbar präsent, sie bedürfen keiner Übersetzungen in Abbilder. Im Setzen von Zeichen, im Schichten, Überschreiten und Überschreiben von Spuren, in den immer wieder neu zu erfindenden Vokabularen aus rhythmischen gestischen Kürzeln (bisweilen analog zu musikalischen Notationen) verwirklicht sich vielmehr die Immanenz des selbstgewissen Handelns, eines darin Bleibens, Anhaftens. Die von ihr verwendeten Zeichengeräte, häufig unkonventionell erweitert und kombiniert, werden dabei zu Prothesen, die den Körper in den Raum hinein verlängern und zugleich an leichtfertigen Abkürzungen hindern.

Katja Pudors grafische Performances machen den tänzerischen Gestus als Wechselspiel von Spannung und Lösung, Stocken und Fließen, Verdichten und Überschreiben auf der Fläche des Bildträgers erfahrbar. Es gibt kein vorgefasstes Konzept eines abbildhaften Bildraums und somit keine klassische Komposition mit ihrer Dialektik aus Bildfläche und Tiefenillusion. Das bildnerische Geschehen ist die Verbindung von Jetzt-Zuständen, die sich aus einer inneren Notwendigkeit heraus aneinander fügen. Die Notationen sind streng und intuitiv zugleich, ohne jede Manieriertheit und Gefälligkeit. Musikalische Kompositionen als Referenzen spielen sich eher auf einer verborgenen Ebene ab, die Betrachtenden erfahren davon nur durch die Präsenz der vor ihren Augen entfalteten grafischen Mittel.

Vincent Schubarth, Künstler und Kurator, 2022